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Kettnaker
Verband der Deutschen Möbelindustrie e.V. (VDM)

Deutsche Möbelindustrie wächst im 1. Halbjahr 2016 um 4,9 Prozent

29.08.2016
Axel Schramm, Präsident des Verbandes der Deutschen Möbelindustrie, erklärt bei der Jahres-Wirtschaftspressekonferenz des Verbandes am 29. August 2016 in Köln:

Möbelindustrie wächst im 1. Halbjahr 2016 um 4,9 %

Halbjahreswert über Vorkrisenniveau

Export mit Impulsen aus Europa



Im ersten Halbjahr 2016 lagen die Umsätze der deutschen Möbelindustrie bei 8,9 Mrd. Euro und damit um 4,9 Prozent über dem Vorjahreszeitraum. Nach einem erfolgreichen Jahr 2015 mit einem Umsatzplus von 6,2 Prozent wurden die Erwartungen unserer Industrie mit diesem weiteren Wachstum deutlich übertroffen. Bei den Halbjahresergebnissen ist damit das Vorkrisenniveau von 2008 wieder überschritten.

Dennoch ist bei weitem nicht alles positiv, denn neben diesem Umsatzwachstum verzeichnen wir derzeit eine Reihe von schmerzlichen Insolvenzen – gerade auch von traditionsreichen Möbelunternehmen. Die Produktion von Möbeln in Deutschland wird immer schwieriger und stellt uns vor große Herausforderungen.

Das Umsatzplus des Statistischen Bundesamtes setzt sich wie folgt zusammen:

- Wohnmöbel: Das in der amtlichen Auswertung größte Teilsegment unserer Branche umfasst Wohn-, Ess- und Schlafzimmermöbel nebst Kleinmöbeln, nicht gepolsterten Sitzmöbeln und Möbelteilen. Hier stieg laut Bundesamt der Gesamtumsatz um 4,1 Prozent auf fast 3,7 Mrd. €
- Das Segment Büromöbel wuchs um 4,4 Prozent auf gut 1 Mrd. €
- Die Ladenmöbelhersteller erreichten bei einem Plus von 10,6 Prozent einen Umsatz von knapp 800 Mio. €
- Bei Matratzen verzeichnen wir hingegen ein leichtes Umsatzminus von 1,3 Prozent auf knapp 460 Mio. €
- Für die Polstermöbelindustrie weist die amtliche Statistik einen Umsatzrückgang um 0,5 Prozent auf fast 540 Mio. € aus
- Die Küchenmöbelhersteller verzeichneten als zweitgrößtes Segment der Branche einen kräftigen Umsatzanstieg um 7,2 Prozent und erreichten damit einen neuen Rekord-Halbjahresumsatz von 2,4 Mrd. €

Diese amtliche Auswertung erfasst alle in Deutschland produzierten Möbel. Ungefähr ein Drittel (31,7 Prozent) dieser Möbel geht direkt in`s Ausland. Diese Quote hat sich seit der Jahrtausendwende verdoppelt. Dies ist das Ergebnis langjähriger Exportanstrengungen unseres Industriezweiges und ein starker Beleg für die Wertschätzung für Möbel „Made in Germany“. Unsere weltweite Spitzenstellung in Sachen Design, Qualität und Verarbeitung gepaart mit unserer Lieferzuverlässigkeit und unserer professionellen Abwicklung sind Garanten für den Erfolg. Die Globalisierung des Möbelmarktes bietet an dieser Stelle übrigens große Chancen für unsere Hersteller. Daher müssen wir noch stärker an der weltweiten Vermarktung unserer Möbel arbeiten. In 2015 belegten wir mit 5 Prozent der weltweiten Möbelproduktion hinter China (41 Prozent) und den USA (12 Prozent) übrigens den 3. Platz. Auf Platz 4 folgt Italien (4 Prozent).

Die anerkannt hervorragende Qualität unserer Produkte macht sie international einzigartig. In einer Zeit, in der Schnelllebigkeit und Wegwerfmentalität zunehmen, geben wir mit jedem deutschen Möbel, das im Handel angeboten wird, dem Verbraucher ein echtes Qualitätsversprechen, das über Jahre hält. Hinzu kommt die einzigartige Markenbekanntheit deutscher Hersteller. Die Wirtschaftswoche hat jüngst ein Ranking der 30 erfolgreichsten deutschen Luxusmarken veröffentlicht, darunter befinden sich sage und schreibe acht Möbelhersteller. Vor zehn Jahren spielten Möbel im Luxusbereich noch eine weniger prominente Rolle, hier haben wir uns als Branche gut entwickelt. Gute Marken helfen der gesamten Industrie, denn sie sind die Leuchttürme, von denen auch andere profitieren.

Unverändert zum Vorjahreszeitraum weist das Bundesamt 500 Betriebe aus – neben den Insolvenzen gibt es also auch Neugründungen. Zudem sind mehr Menschen in der Möbelindustrie beschäftigt: mit 84.014 Mitarbeitern gab es ein kleines Plus von 0,6 Prozent.

Die Kapazitätsauslastung ist gestiegen. Im Juli 2016 lag sie mit 87,4 Prozent dreieinhalb Prozentpunkte über dem Vorjahreswert.

Diese insgesamt zufriedenstellenden Wirtschafts-zahlen der Möbelindustrie im 1. Halbjahr stehen natürlich im Widerspruch zu den eingangs erwähnten Insolvenzen. Hier haben viele Gründe eine Rolle gespielt: zum einen leidet die Möbelindustrie seit langem an Überkapazitäten. Unter anderem das Ende der Schrankwand hat dazu beigetragen, dass weniger Holz verarbeitet wird. Die Rendite ist viel zu gering und verhindert notwendige Investitionen in den Unternehmen. Das liegt auch daran, dass es für unsere Produzenten schwierig ist, gemessen an den eigenen Kosten die betriebswirtschaftlich notwendigen Preise durchzusetzen. Dies wiederum hängt maßgeblich mit der noch immer zunehmenden Globalisierung des Möbelmarktes zusammen. Die Kosten für die Produktion von Möbeln sind im Ausland schlichtweg niedriger. In direkter Konkurrenz geht dies zu Lasten deutscher Produzenten.

In der Globalisierung liegen aber auch Chancen für unsere Hersteller. Dies zeigt der Blick auf ausländische Standorte unserer eigenen Unternehmen. Aus einer Auswertung unserer Fachverbände ergibt sich, dass die Unternehmen, die schon heute selbst eine internationale Produktion betreiben oder im Ausland fertigen lassen, besonders erfolgreich sind. Diese Entwicklung ist bei Polstermöbeln nicht neu, bei Kastenmöbeln schon.

Unter Berücksichtigung internationaler Standorte ergibt sich etwa bei den Polstermöbelherstellern ein Auftragsplus von fast 8 Prozent im ersten Halbjahr, bei Wohnmöbeln um gut 5 Prozent. Bei Polstermöbeln ist der internationale Effekt besonders ausgeprägt, weil diese viel Handarbeit erfordern, was zu einem sehr hohen Lohnkostenanteil führt. Die Stundenlöhne liegen vor allem im osteuropäischen Ausland teilweise weit unterhalb von 10 € und damit mindestens 50 Prozent unter den deutschen Entgelten. Der Kostenvorteil ist damit erheblich und kann für einige Unternehmen erfolgsentscheidend sein.

Dies belegt, dass durch eine mit Augenmaß betriebene Internationalisierung auch des eigenen Geschäfts in Deutschland hochwertige Arbeitsplätze gesichert oder geschaffen werden können.

Anders stellt sich die Situation für die Küchenmöbelindustrie dar. Hier wurde in den letzten Jahren eine beispiellose Erfolgsgeschichte geschrieben. Der Halbjahresumsatz liegt seit 5 Jahren (weiter stabil wachsend) bei über 2 Mrd. Euro. Damit wird jeder vierte Euro in unserer Branche mit Küchen umgesetzt.

Dazu hat hauptsächlich eine gestiegene Bautätigkeit, sicherlich aber auch der Zeitgeist beigetragen. Zahlreiche Fernsehsendungen belegen: „Man“ kocht seit Jahren gerne in Deutschland. Grundrisse verändern sich mit offenen Küchen, hochwertige Ausstattung wird damit wahrnehmbar. Küchen sind das neue Statussymbol. Zudem ist es der Küchenmöbelindustrie gelungen, mit ihrer hervorragenden Qualität viele erfolgreiche Marken zu etablieren. Das Besondere ist: Die ausgesprochen erfolgreiche Produktion unserer Küchenhersteller erfolgt fast ausschließlich in Deutschland.

Diese starke nationale Fertigung ist möglich, weil die Hersteller früh auf Automatisierung, Standardisierung und Digitalisierung gesetzt haben. So entsteht ein kosteneffizienter und international wettbewerbsfähiger Prozess. Der Einzelbaustein, ein eher unkompliziertes, modulares Möbelstück, lässt sich „schlank produzieren“. Komplexität und Individualität erhält die Küche durch Kombination und Aufbau.

Die Küchenindustrie nutzt hierfür schon heute viele Bausteine von Industrie 4.0. Hier geht es um die Optimierung des Produktionsprozesses. Durch Nutzung IT-gestützer Vernetzung innerhalb der eigenen Produktion und der externen Schnittstellen können Prozesse automatisiert, digitalisiert, beschleunigt und damit kostengünstiger gemacht werden. Dies ist der richtige Weg für die gesamte Möbelindustrie und natürlich nicht von heute auf morgen umsetzbar. In vielen Fällen erfordert dies nämlich, teure Maschinen durch internetfähige Produktionsanlagen zu ersetzen. Die Investitionen dafür sind erheblich, der Weg allerdings alternativlos. Die Weichen dafür müssen jetzt gestellt werden. Hier liegen riesige Kostenhebel und so reift auch in Deutschland internationale Wettbewerbsfähigkeit.

Es reicht natürlich nicht aus, nur die eigene Produktion zu optimieren. Vielmehr gilt es, den Möbelstandort Deutschland gesamtheitlich zu stärken. Um dies zu erreichen, steht für uns der Handel als Partner an erster Stelle. Wir brauchen in Zukunft aber ein anderes Miteinander und auch hier eine konsequente Nutzung IT-gestützter und vernetzter Lösungen. Der Kunde verändert sein Verhalten: er wird komplizierte Prozesse, lange Lieferzeiten und mehrstufige Vertriebe immer weniger akzeptieren.

Im Grunde ist diese Entwicklung schon heute klar absehbar. Die „Virtualisierung“ ist in vollem Gange. Der Umsatz des gesamten deutschen Möbelhandels 2015 legte um 4,3 Prozent auf 32,8 Mrd. € zu. Die Steigerungsrate im Versandhandel lag mit 14 Prozent dreimal so hoch. Davon sind 4/5 Onlinehandel, so dass der Online-Anteil (rund 2 Mrd. €) derzeit etwa 6 Prozent des Gesamt-Handelsumsatzes beträgt. Die teuren Anschaffungen werden aber unverändert im stationären Handel gekauft – nur deshalb ist der Euro-Anteil so gering. Mengenmäßig betrachtet liegt der Anteil also höher. Daher ist der Onlinehandel deutlich marktprägender als es die 6 Prozent nahelegen.

Wir müssen dieser Entwicklung Rechnung tragen und unsere gemeinsamen Prozesse noch stärker auf Onlinemöglichkeiten ausrichten. Gemeinsam mit dem Handel müssen wir den Kunden anders in den Mittelpunkt stellen.

Noch ein Blick auf den Außenhandel: Der Gesamtexport aus Deutschland stieg im ersten Halbjahr 2016 um 2 Prozent auf 5,2 Mrd. €. Impulse kamen aus Europa und Nordamerika. So entwickelte sich der Absatz in die EU-Länder überdurchschnittlich mit einem Plus von 2,8 Prozent auf 3,6 Mrd. €. Zwar sanken die Ausfuhren in unseren wichtigsten internationalen Absatzmarkt Frankreich im ersten Halbjahr um 1,7 Prozent. Die Ausfuhren in die Niederlande und nach Italien hingegen stiegen mit 8 bzw. 7,7 Prozent deutlich. Dabei ist zu berücksichtigen, dass wir hier in den letzten Jahren auch deutlich verloren haben und jetzt - von niedrigerem Niveau - wieder zulegen. Tschechien steigt um 16,9 Prozent. Der spanische Markt erholte sich mit 5,3 Prozent von langjähriger Schwäche.

Der britische Markt entwickelte sich mit einem Anstieg von 2,5 Prozent langsamer als im Vorjahr. Hier wird sich die Entscheidung zum Brexit zwangsläufig negativ auf unsere Branche auswirken. In Großbritannien werden die Wirtschaftsdaten nachlassen und die Konsumlaune der Verbraucher sinken. Zudem führt der Verfall der britischen Währung zu einer deutlichen Verteuerung von Möbeln „Made in Germany“ und zu einem Kaufkraftverlust der britischen Konsumenten. Dies tut uns sehr weh, da sich der britische Markt in den vergangenen Jahren zu einem der wichtigsten Wachstumsmärkte unserer Hersteller entwickelt hat. Allein im Jahr 2015 stiegen die deutschen Möbelexporte um 10 Prozent. Mit einem Exportwert von über 700 Mio. € belegt das Land aktuell noch Platz fünf der wichtigsten Möbelexportmärkte. Damit gehörte das Vereinigte Königreich bislang zu den wichtigsten Wachstumsmärkten für die deutschen Möbelhersteller. Die daraus resultierende Nachfrageminderung könnte langfristig die in den letzten Jahren hart erarbeiteten Erfolge unserer Branche in Großbritannien zunichtemachen.

Außerhalb der EU konnten mehr Möbel in die Schweiz und in die USA geliefert werden (1,8 bzw. 1,2 Prozent). Die Schwellenländer und der Mittlere Osten hingegen zeigten angesichts der Abkühlung der Konjunktur und der zahlreichen internationalen Krisen bereits deutliche Bremsspuren.

Der Möbelimport bleibt eine Herausforderung für die Branche. Hier verzeichnen wir im ersten Halbjahr eine Steigerung um 1,8 Prozent auf 6,4 Mrd. €. Die Importquote hat sich innerhalb der letzten 15 Jahre auf 62 Prozent verdoppelt.

Zu berücksichtigen ist hierbei, dass es mittlerweile nicht mehr nur um den Import von Möbeln im untersten Preissegment geht. Auch in den traditionell von deutschen Herstellern stark besetzten Segmenten entsteht internationale Konkurrenz. Besonders stark sind unsere osteuropäischen Nachbarn. Die meisten Möbelimporte kommen nach wie vor aus Polen, hier wurde im ersten Halbjahr ein Importanstieg um 8,1 Prozent (auf knapp 1,6 Mrd. €) verzeichnet.

Die zweite wichtige Herkunftsregion von Importmöbeln ist Ostasien, wo sich eine Verschiebung der Lieferketten abzeichnet. Während der Importwert aus dem zweitwichtigsten Lieferland China von Januar bis Juni um 3,1 Prozent zurückging, stiegen die Importe aus Taiwan um 26,1 Prozent.

Für das 2. Halbjahr 2016 sind die Vorzeichen weiter positiv denn mit anhaltender Konsum- und Bautätigkeit wird es weiter einen moderaten Aufschwung geben. Die Wirtschaftsforschungsinstitute korrigieren aber die Aussichten für 2016 und 2017 - insbesondere wegen des Brexit - derzeit leicht nach unten. Internationale Krisen verunsichern auch hierzulande zunehmend die Verbraucher. Das Exportgeschäft dürfte in der zweiten Jahreshälfte auch deutlich an Dynamik verlieren. Deshalb gehen wir für das Gesamtjahr 2016 von einem Gesamtergebnis in Höhe von rund 3,5 Prozent aus.




Further information:

Ursula Geismann
u.geismann@holzindustrie.de
HDH/VDM Verbände der Holz- und Möbelindustrie
Flutgraben 2
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Deutschland
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